F2 Tornado Tauscha

Der F2-Tornado am 10.05.2004 in Tauscha
Die Wetterlage am 10.05.2004:
Über Deutschland herrschte eine nördliche Höhenströmung vor. Anfang Mai wurde über dem östlichen Europa massiv Warmluft nach Norden geschaufelt, die nun über Schweden wieder nach Süden zog. Am 10. war somit sehr schwül-warme Luft wetterbestimmend. Gleichzeitig bestimmte aber kalte Luft in der Höhe das Wettergeschen. Mit Sonneneinstrahlung wurden nachmittags zunächst über Sachsen-Anhalt und Thüringen, sowie Brandenburg heftige Gewitter ausgelöst, die abends Sachsen erfassten Am Boden trat überwiegend westlicher Wind auf, während mit der Höhe eine Drehung auf N bis NO erfolgte. Diese Scherung begünstigte offensichtlich die Entstehung von Tornados, die einige Zellen in regelrechte Drehung versetzten.
Stärkeinschätzungen:
Tauscha: F2 – entspricht schon einem in Deutschland seltenerem, starken Tornado mit Geschwindigkeiten um 200km/h
Kamenz: F0 – evtl. war es auch ein F1, da die Fichte sicherlich mehr als 130 km/h auszuhalten hatte und diesem Druck nicht standhielt.Insgesamt war dieser aber einer der schwächeren Tornados. 
Verlauf im Raum Kamenz:
Zwischen 18 und 19 Uhr MESZ griffen kräftige Gewitter von Südbrandenburg auch auf Sachsen über.Ca. 18:30 konnte in Lückersdorf Hagel (5 bis 10mm) beobachtet werden. Eine besonders kräftige Zelle zog dabei westlich vorbei (Raum Königsbrück-Pulsnitz-Radeberg).
Von Norden folgten nach deren Abzug weitere sehr markante Zellen nach, die Wolkenbasis lag dabei meist nur 200-300m ü. Grund. Die Gewitterwolke, die später den Tornado von Tauscha hervorbrachte, konnte ich auch von Kamenz aus gut beobachten und sogar fotografieren. Dass die Möglichkeit von Tornados bestand, hatte ich auf Grund der obig beschriebenen Voraussetzungen ins Kalkül gezogen, doch dass es in der Nähe und überhaupt passierte, war dann doch überraschend.
Ablauf des Tornados in Tauscha:
Tauscha ist ein kleiner Ort an der Kreisgrenze Kamenz/ Riesa-Großenhain, rund 20 km westlich von Kamenz und 5 km westlich von Königsbrück, bzw. 20 km nördlich von Dresden.
Gegen 19:45 (diese Zeit gaben Augenzeugen an…) passierte diese Gegend ein Gewitter. In Tauscha selber trat zunächst kein Niederschlag auf, das Gewitterzentrum lag zum Tornadozeitpunkt nördlich und östlich. Genau am Ortseingang im Nordwesten des Dorfes setzte der Tornado am Boden auf einem Getreidefeld, westlich der Dorfstrasse, auf.
An dieser Stelle „fühlte sich der Tornado offensichtlich am wohlsten“ und erreichte die grösste Intensität.Auch scheint seine Zuggeschwindigkeit hier recht langsam gewesen zu sein.
Schäden und weiterer Verlauf:
Als erstes nahm der Tornado einen mittelstarken Apfelbaum in seine Obhut. Ihn drehte er komplett raus, soll ihn laut Augenzeugen 20m in die Höhe gerissen und an Ort und Stelle wieder fallen gelassen haben. Dabei wurde die Freilandleitung (Stromversorgung) mit eingewickelt. Entsprechend fiel der Strom aus. Die Nachbarhäuser auf der anderern Strassenseite blieben völlig schadlos. Die Bewohner sagten aus, dass der Saugrüssel bis auf den Boden mit Wasserdampf auskondensiert war. Insgesamt zog er von NW nach SO etwa der Dorfstrasse entlang, durch den Ortskern.
Als nächstes stand ein landwirtschaftlich genutztes Gebäude in der Tornadoschneise. Hier hob er das komplette Dach an (Teerdach, Asbestplatten) einige Dekameter an, zerriss es in der Luft und verstreute selbt große Teile im Umkreis von ca. 100m, in Zugbahnnähe auch ca. 200-300m. Holzsplitter spießten in die Holzverkleidung eines Hauses, in anderen bohrten sich Holzlatten in die Dächer.
Arg in Mitleidenschaft wurde als nächstes ein neu gebautes Einfamilienhaus gezogen. Ein großer Apfelbaum, der im Wege stand, wurde auch herausgedreht in die Luft befördert und zerhäckselt, ein weiterer Birnenbaum wurde ebenfalls verfrachtet.
Zurück zum Wohnhaus. Hier wurde das Dach kurzzeitig komplett etwas angehoben, setzte sich dann aber wieder. Dachziegel wurden fortgewirbelt, auf der einen Seite wurde der Dachüberhang abgerissen. Die Dachrinne soll senkrecht nach oben gestanden haben. An allen 4 Seiten sind Einschläge durch umherfliegende Teile der alten Lagerhalle festzustellen. Das Küchenfenster wurde von einer Latte durchbohrt, die am anderen Zimmerende erst zum liegen kam. Ein Aufenthalt um diese Zeit in der Küche hätte wohl absolute Lebensgefahr bedeutet. Im Innern des Hause hat der Unterdruck ebenfalls Schäden hinterlassen, Gipsplatten zerbrochen und Türen leicht beschädigt.
Auf seinem weiteren Weg durch den Ort verlor der Tornado offensichtlich etwas den Bodenkontakt, richtete aber hinter dem Wohnhaus an weiteren Dächern größere Schäden an.
Am anderen Ende des Dorfes (Südosten) drehte der Tornado nochmals auf, zerdrehte ein paar junge Kiefern, walzte zwischen 2 Linden hindurch (die Außenseiten schadlos,innen riss er alle Äste ab). Besonders kräftig wurde er nochmals direkt am Ortsausgang. Dort zog er über eine alte Scheune und riss schwere, große Ziegel aus dem Dach und verfrachtete sie bis zu 20m. Das Dachfenster und ein kleineres an der Tür zerbarsten. Übrigens wurden hier in 1km Entfernung zum landwirtschaftlichen Gebäude noch Teile des Teerdaches wiedergefunden…Mit seinem Weiterzug löste sich der Tornado dann mehr und mehr auf. Letzte Baumschäden konnte ich noch an der Straße/Kreuzung Richtung Radeburg analysieren. Ob in der Laußnitzer Heide noch etwas geschah, ist derzeit unklar.
Doch der Abend bot weitere Highlights, auch in Kamenz konnte ein interessantes Gewitter beobachtet werden. Gegen 20:30 MESZ wurde es nun auch hier im Norden stockfinster, heftiges Blitzezucken kündigte ein schweres Gewitter an. Am Boden drehte unterdessen der Wind auf SW bis kurz sogar Süd zurück.Um 20:45 MESZ passierte das Gewitter meine Station. Der Wind aus SW nahm kontinuierlich zu, wurde immer stärker (79 km/h aus West). Plötzlich war rauschen und knacken (wie sich später herausstellte ein umgeknickter Apfelbaum) hörbar. Im dumpfen Dämmerlicht war über mir eine recht stark rotierende Wolke an der Seite der Gewitterwolke (Zentrum zog über Kamenz und etwas östlich hinweg)zu erkennen. Der Wind nahm immer mehr zu und drehte markant wie bei Luftwirbeln üblich auf NO. Dabei wurde selbst an meiner Wetterstation eine orkanartige Böe von 108 km/h ! gemessen. Das ist Windstärke 11. Wie sich herausstellte hatte sich ca. 200m nordwestlich von mir ein schmaler Wirbel gebildet, der eine gesunde, etwa 20 jährige Fichte einfach in 1m Höhe wegbrach, eine benachbarte verlor die Krone. An den anderen war KEIN einziger Schaden festzustellen.Ein großer, aber nicht allzu stabiler Apfelbaum wurde ebenfalls noch umgeknickt und auf die Straße geschleudert. Auf dem Weiterzug Richtung unserem Haus schwächte sich das ganze offensichtlich ab. Dennoch konnte ich eine sogartige, aufwärtsgerichtete Blattbewegung an den Bäumen sehen. Verdächtig verhielt sich auch der Luftdruck. Bei einer normalen Böenfront an Gewittern steigt er einfach nur an (Druckstufe). Im jetzt beschriebenen Fall sank er aber einfach ab. Dabei handelt es sich um einen minütlichen Momentanwert. Es bleibt daher unklar, wie tief er innerhalb dieser 1 Minute wirklich fiel. Eine Art Unterdruck muss aber geherrscht haben. Ein Rüssel oder ähnliches, was einen Tornado eindeutig kennzeichnen würde, konnte aber nicht registriert werden. Somit bleibt ein klein wenig Unsicherheit bestehen. Dennoch wäre es eine der wenigen Fälle, dass ausgerechnet so ein Phänomen an einer (privaten) Wetterstation gemessen wurde.
Unklar bleibt, was gegen 22:45 in Gebelzig bei Weißenberg (nahe Görlitz) passierte. Auch dieser Ort hatte Sturmschäden aufzuweisen. Eine Begutachtung meinerseits vor Ort brachte aber keine klaren Ergebnisse, ob es ein Tornado oder ein Downburst war.
Bilder vom F2 in Tauscha (Die landwirtschaftlich genutzte Halle befindet sich im NW des Dorfes, das ältere Haus im SO.

 

Zur Diashow

Bilder vom F0 Ereignis in Lückersdorf in unmittelbarer Nähe meiner Wetterstation. Die Datenaufzeichnung meiner Wetterstation zeigt die markante Windspitze bei gleichzeitiger Drehung des Windes von SW auf NNO (über West-NW…). Außerdem verdächtig ist der Luftdruck. Er fällt in dieser Zeit noch einmal, was atypisch ist. Dabei sei darauf hingewiesen, dass Windrichtung und Luftdruck nur ein Momentanwert pro Minute ist, d.h. der Luftdruck kann (und wird) auch tiefer gewesen sein.